Haushaltsrede für 2023 (Hans Schlömer, SPD-Fraktion)

Sehr geehrte Ratsmitglieder,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Nicodemus,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

uns liegt ein Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vor, der auf den ersten Blick harmlos erscheint. Tatsächlich ist er alles andere als das.

Er ist zwar fast ausgeglichen und kommt ohne eine Erhöhung der Grundsteuern aus, aber nur dank einem buchhalterischen Trick der Landesregierung, der in der freien Wirtschaft den Tatbestand des Bilanzbetrugs erfüllen würde: Der „Isolierung“ von Kosten der großen Krisen unserer Zeit. Waren es zunächst die Kosten der Corona-Pandemie, werden nun auch die Kosten des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise „isoliert“. Dabei ist „Isolierung“ ein völlig unangebrachter Euphemismus, weil es sich so anhört, als hätte man damit ein Problem sicher gelöst – dabei ist sie nur eine Steigerung der bisherigen Schuldenkrise und kommt als Krone obendrauf. Ohne den Buchungstrick wäre die Stadt schon hoffnungslos überschuldet und in einer viel schlimmeren Situation als vor 2014, als wir nur „von Überschuldung bedroht“ waren – alleine durch die Corona-Folgekosten in Höhe von ca. 20 Mio. EUR, dazu kommen mindestens 8 Mio. EUR Kriegsfolgekosten. Dem steht nur noch ein Eigenkapital von 9,2 Mio. EUR entgegen.

Es hilft auch wenig, dass wir in 2022 Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer haben: mehr als 21 Mio. statt der angesetzten 16 Mio. EUR sind natürlich eine gute Nachricht. Die kommende Rezession wird aber leider dazu führen, dass die Gewerbesteuereinnahmen wieder deutlich schrumpfen. Da die Unternehmen nur auf Ihren Gewinn Gewerbesteuer zahlen, und die Energiekosten diesen gerade in vielen Unternehmen drastisch sinken lassen, kann es hier beliebig schlimm für uns als Kommune werden: wenn Unternehmen Verlust machen, wird dieser mit Gewinnen der vergangenen Jahre verrechnet, sodass die Unternehmen sogar Geld zurückbekommen können. Was machen wir, wenn sich die Gewerbesteuer im nächsten Jahr halbieren sollte, was durchaus möglich ist? Einen Ansatz von 20 Mio. EUR halten wir jedenfalls nicht für realistisch.

Doch selbst hohe Gewerbesteuereinnahmen sind kein Garant für einen soliden Kommunalhaushalt. Es ist ein Unding, Kommunen mit einer konjunktur­ab­hängigen Steuer zu finanzieren – denn unsere Ausgaben sind in der Regel eben nicht konjunkturabhängig, sondern steigen meist bei einem Wirtschaftsabschwung noch an. Obendrein werden die Schlüsselzuweisungen wegen der hohen Gewerbesteuereinnahmen um mehr als 2,5 Mio. EUR sinken. Wie gewonnen, so zerronnen.

Betrachtet man die Entwicklung der Stellen und Personalkosten ab 2012, ist hier ein eklatantes Wachstum der Verwaltung erkennbar: Hatte sie damals noch 141 Stellen, soll sie 2023 auf 198,5 Stellen wachsen, das ist ein Wachstum um 41% in nur 11 Jahren. Alleine in den letzten drei Jahren kamen 31,5 Stellen dazu, das ist ein Wachstum um 19%. Die Kurve zur Entwicklung der Stellen zeigt daher mittlerweile einen exponentiellen Verlauf.

Während sich die Stadtverwaltung also immer weiter aufbläht, hören wir in den letzten zwei Jahren immer häufiger Äußerungen wie „das können wir nicht auch noch leisten“ oder „was soll die Verwaltung denn noch alles machen“. Auffällig ist auch, dass die Verwaltung immer öfter über Überlastung klagt, obwohl sie massiv auf externe Unterstützung zurückgreift und sehr viel mehr Aufgaben outsourced als früher. Da passt etwas nicht zusammen – offenbar wächst die Verwaltung an den falschen Stellen, oder sie wird mit steigender Größe immer ineffizienter.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Stabsstelle des Bürgermeisters, die immer noch „Stabsstelle Vergabe und Controlling“ heißt und in den letzten drei Jahren von 1,77 auf geplante 8 Stellen angewachsen ist. Eine vernünftige Organisation in Teams mit Budgets und klar definierten Aufgaben tut hier Not.

Zuletzt wurden Aufgaben mit dem Hinweis abgewiesen, Overath habe eine viel zu kleine Verwaltung. Ja, im Kommunalvergleich lag die Personalquote 2020 bei 5,72 und damit NRW-weit im untersten Bereich, aber 2023 liegt sie schon bei 7,3 und damit nur noch knapp im unteren Viertel des Benchmarks. Es gibt also viele kleinere Verwaltungen als unsere, die problemlos laufen – bestes Beispiel ist unsere Nachbarstadt Rösrath, aus der nicht zu hören ist, dass die Verwaltung überlastet wäre und wichtige Themen nicht bearbeiten könnte.

Man darf auch nicht vergessen, dass andere Kommunen keinen Grundsteuer-
Hebesatz von 850 Punkten haben, und dass wir in unserer Nachhaltigkeitssatzung maximalen Willen zum Sparen bekundet haben. Diesem Ziel müssen wir dauerhaft gerecht werden. Wir brauchen eine handlungsfähige, vor allem aber auch effiziente und bezahlbare Verwaltung!

Vom Kreis fordern wir Kommunen aktuell ein Maßhalten bei Stellenzuwächsen. Hier einige Zitate aus dem Schreiben des Kämmerers Eggert im Namen seiner Kolleginnen und Kollegen an den Kreis: Stellen müssen „unverzichtbar notwendig“ sein, der „prozentuale Aufwuchs beim Kreis und in den Kommunen sollte identisch sein“ und im Kreis „reichen 10 neue und die unbesetzten Stellen aus“. Auf Overath heruntergebrochen wäre das ein Stellenzuwachs von weniger als 2 Stellen. Das ist in diesem Jahr nicht realistisch, aber es zeigt deutlich, dass wir nur unverzichtbar notwendige Stellen neu einrichten dürfen – wir können nicht Wasser predigen und Wein trinken!

In unserem Haushaltssicherungskonzept steht: „Eine Erst- und Wiederbesetzung von Stellen erfolgt nur nach einer detaillierten Aufgabenkritik“. Es wäre schön, wenn das mal so wäre – stattdessen haben wir nur auf Nachfrage Detailinformationen zu den zusätzlich geplanten Stellen erhalten. Der Kreis wird gescholten, weil er seine Stellenmehrungen sehr schlecht begründet hat, während bei uns zunächst überhaupt keine Begründungen geliefert wurden.

Betrachtet man das Personalwachstum differenzierter, sind natürlich einige neue Stellen unverzichtbar, und denen werden wir zustimmen. So sind die Stellen für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmanagement dringend notwendig. Auch die neuen Stellen im Jugendamt sind unstrittig, da die Fallzahlen wachsen und es hier um Kindeswohl geht. Selbst die 1,5 zusätzlichen Stellen im Bauamt, die zur Bildung einer neuen Abteilung für Bauprojekte benötigt werden, tragen wir mit, wenn das wie versprochen dazu führt, dass Bauprojekte zukünftig wieder deutlich schneller und effizienter durchgeführt werden können. Hier muss alles getan werden, was helfen könnte, um die Katastrophe der letzten beiden Jahre zu beenden.

Auch einige weitere Stellen sind aufgrund der nachgelieferten Begründungen nicht in Frage zu stellen. Es finden sich im Stellenplan jedoch 2 neue Stellen, denen wir nicht zustimmen werden, weil sie mit den anderen neuen Stellen in ihrer Wichtigkeit nicht zu vergleichen und aufgrund unserer Haushaltssituation nicht zu rechtfertigen sind.

So wird eine Stelle für „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ beantragt. Alle Amtsvorgänger von Bürgermeister Nicodemus sind ohne eine solche Stelle ausgekommen und haben dieses Thema gemeinsam mit den Beigeordneten selbst wahrgenommen – was auch deren Job als politische Wahlbeamte ist, die für die Vertretung der Verwaltung nach außen verantwortlich sind. Wir sehen nicht ein, dafür mehr Geld auszugeben. Da sind uns saubere Schultoiletten an allen Schulen schlicht und einfach deutlich wichtiger, und es kann nicht sein, dass dafür kein Geld da ist.

Weiterhin wird eine Stelle für „Tourismus und Wirtschaftsförderung“ beantragt, die wir nicht für sinnvoll und notwendig halten. Zum einen wurden auch diese beiden Themen bisher von einem unserer Beigeordneten bearbeitet. Zum anderen wollen wir Naherholung und Tagestourismus zwar gerne fördern, aber dafür eine halbe Stelle zu spendieren, halten wir in unserer Haushaltslage für falsch. Noch unsinniger ist eine halbe Stelle für die Wirtschaftsförderung: sollen unsere Bürgerinnen und Bürger tatsächlich dafür bezahlen, dass wir uns einen festangestellten Lobbyisten für die Overather Wirtschaft leisten, die in Overath nicht gerade schlecht behandelt wird?

Der Vorwurf, wir würden mit unserem Antrag Themen gegeneinander ausspielen, ist unsinnig. Overath muss priorisieren, wie jeder Privathaushalt und jedes Unternehmen. Priorisierung bedeutet nicht, dass andere Themen unwichtig sind, sondern dass man dazu stehen muss, wenn es noch wichtigere Themen gibt. Für jeden Euro, der ausgegeben werden soll, kann an anderer Stelle etwas nicht ausgegeben werden. Das ist auch schon mal bitter, wenn sinnvolle Themen leider nicht machbar sind. Dann muss man klare politische Standpunkte vertreten, auch wenn diese anderen Fraktionen nicht passen. Das als Populismus abzustempeln halten wir für unredlich und unangemessen. Alternativ kann man natürlich auch sagen: wir machen einfach alles gleichzeitig, egal ob wir es bezahlen können, dann müssen wir auch niemanden enttäuschen. Das halten wir aber für politisch unverantwortlich!

Im letzten Jahr haben wir uns ausführlich mit den Investitionen beschäftigt, die zum Großteil notwendig, aber leider nicht vernünftig gegenfinanziert sind. The sky is the limit, kann man dazu nur noch feststellen. Abbezahlen kann das niemand mehr. Der Schuldendienst dafür wird uns auffressen, gerade bei den steigenden Leitzinsen. Kosten uns die Zinsen bisher schon fast 1 Mio. EUR pro Jahr, werden wir in zwei Jahren bei deutlich über 1,7 Mio. EUR liegen.

Im Investitionshaushalt finden wir weiterhin InHK-Maßnahmen, die nicht zwingend notwendig wären, hohe Eigenanteile der Stadt erfordern und denen wir nie zugestimmt haben: wir verweisen auf die Sitzstufen an der Agger, die Neugestaltung „An den Gärten“ und die Maßnahme im Kemenat, wo Eigentümern die Verschönerung ihrer Häuser bezahlt wird.

Als Fazit sehen wir zwar Sparwillen in den Ämtern, aber in der Verwaltungsspitze leider nicht. Was an Sachkosten gekürzt wird, wird bei den Personalkosten aufgestockt – das halten wir für falsch. Die Verwaltung muss nach unserer Einschätzung organisatorisch neu aufgestellt und viel effizienter werden – nicht durch Mehrarbeit, sondern durch Digitalisierung, Automatisierung und Prozessoptimierung. Nur so können die noch kommenden Herausforderungen bezahlbar bewältigt werden.

Der vorliegende Haushalt ist zusammenfassend leider weder sparsam noch sinnvoll priorisiert, daher wird ihm die SPD-Fraktion heute nicht zustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
15. Dezember 2022